Fachpraxis für systemisches Paarcoaching, Paartherapie, Paarbegleitung
Monogamie ist Kultur, jede andere Form ist Natur
Wenn Sie sich auf einen Marktplatz stellen und mit dem Finger blind auf einen Menschen zeigen, dann treffen Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % jemanden, der schon einmal fremdgegangen ist. Hier kann von einem „Ausrutscher“ kaum gesprochen werden. Das Ganze hat sogar einen Namen: Coolidge-Effekt. Ist das die Legitimation der Untreue?
Betrachtungen vorweg
Ob wir monogam oder nicht monogam leben wollen, ist schlussendlich eine persönliche Entscheidung des Einzelnen. Idealerweise ist sich das Paar einig darüber, ob es monogam oder eben polyamourös leben möchte. In der Realität ist es aber häufig so, dass Paare sich nach außen einig sind, die Beziehung ausschließlich zu zweit zu führen, Seitensprünge dann eben heimlich abgewickelt werden.
Aufgedeckte Affären und Seitensprünge lösen in diesem Fall große Dramen aus. Gefühle wie Eifersucht, Vertrauensmissbrauch und Trennungswünsche kommen auf. Fast immer hinterlässt der Seitensprung eine Verlassenheitswunde und das Paar steht vor der Frage: Hat die Beziehung auf dieser Basis noch eine Chance? Einen Lösungsansatz in dieser Frage könnte der Coolidge-Effekt geben.
Was ist der Coolidge-Effekt?
Der Coolidge Effekt: Zur Einführung in dieses Thema möchte ich eine Anekdote erzählen, die namensgebend für das Phänomen ist:
Der US-Präsident John Calvin Coolidge soll in den 1920er-Jahren zusammen mit seiner Frau eine Hühnerfarm besucht haben. Der Farmer zeigte auf den Hahn und erklärte der Präsidentengattin, dass dieser Hahn bis zu 12 Mal am Tag den Geschlechtsakt vollziehen kann. Ihrer schnippischen Antwort lautete: „Sagen Sie das mal meinem Mann.“ Der Präsident soll darauf gekontert haben. Er erkundigte sich beim Farmer: „Besteigt jeder Hahn jedes Mal dieselbe Henne?“. Darauf antwortete dieser wahrheitsgemäß: „Nein, jeder Hahn hat einen ganzen Harem von Hennen.“ Darauf der Präsident: „Vielleicht könnten Sie das einmal Mrs. Coolidge erzählen.“
Diese kurze Einführung zeigt, worauf es hinausgehen soll. Biologen haben herausgefunden, dass ein einziger Sexualpartner die Libido dämpft. Dieser Effekt wird seitdem Coolidge-Effekt genannt. So weit, so spannend. Aber was hat diese Erkenntnis nun für Auswirkungen auf unser Zusammenleben und die Partnerschaft?
Experimente in der Forschung
Ein spannendes Experiment wurde zu diesem Thema bereits 1956 an Ratten durchgeführt.
Damals wurde ein Rattenmännchen in einen Käfig mit vier bis fünf Weibchen gegeben. Man beobachtete, dass das Männchen sich mit allen Weibchen bis zur eigenen völligen Erschöpfung wiederholt paarte. Ab diesem Punkt erfolgten keine Reaktionen des Männchens mehr auf weitere Stimulationen der Weibchen. Wurde nun ein weiteres Weibchen in den Käfig gegeben, konnte trotz der vorherigen Erschöpfung ein weiterer Paarungsakt mit dem neuen Weibchen beobachtet werden. Ähnliche Effekte konnten aber auch bei weiblichen Hamstern nachgewiesen werden und beschränken sich daher nicht auf das männliche Geschlecht.
Die wissenschaftliche Erklärung dahinter
Der Psychologe Dennis F. Fiorino von der University of British Columbia im kanadischen Vancouver konnte die biochemische Basis für den Coolidge-Effekt nachweisen. Seine Arbeit beruht auf der Erkenntnis, dass sexuelle Lust - ebenso wie alle anderen Formen der Wonne – einer Art »Vergnügungsviertel« in der Tiefe des Gehirnes entspringt. Es gibt einen Nervenstrang, der sich von einem wichtigen Ballungszentrum im primitiven Mittelhirn über das Zwischenhirn bis zum Limbischen System erstreckt. Wann immer wir eine angenehme Erfahrung machen, schütten die Nervenzellen im Lustzentrum den Botenstoff Dopamin aus, der wie eine Glücksdroge wirkt. Auch euphorisierende Drogen setzen an dieser Stelle an. Dass Sex das Dopamin in diesem Hirnbereich hochtreibt, haben Forscher in der letzten Zeit mithilfe der sogenannten Mikrodialyse aufgezeigt.
Die Sache mit dem Sex aus der Sicht der Biologie
Betrachtet man die reine Biologie, dann lohnt es sich weitaus mehr, mit einem anderen Partner zu schlafen als immer wieder mit demselben. Vielleicht steckt dahinter sogar der eindrucksvolle Gedanke der Natur, Inzest zu vermeiden und eine möglichst große Artenvielfalt zu erzeugen. Außerdem ist es wohl noch immer tief im Menschen verwurzelt, Nachkommen zu zeugen. Die einfache Rechnung lautet: Sex mit einer Frau kann nur zu einem Kind führen. Sex mit zwei Frauen, zu zwei Kindern usw.
Rechtfertigt die Natur einen Seitensprung?
Die Experimente und wissenschaftlichen Überlegungen lesen sich so, als sei das Fremdgehen in der Natur des Menschen verankert und es gäbe nahezu keine Wahl, als diesem Drang einfach nachzugehen.
Fakt ist wohl, dass sowohl der Mann als auch die Frau erotisch auf wechselnde Geschlechtspartner reagieren. Egal, ob wir verliebt sind, in einer festen Beziehung stecken, womöglich Ringe tragen. Zumindest nach einer gewissen Zeit müssen wir der Tatsache ins Auge schauen, dass wir durch die eigene Sexualität mit den Begrenzungen der Vorstellungen, der Konditionierungen und der Ängste um die Partnerschaft konfrontiert werden. Die Partner stehen also permanent an einer Weggabelung. Sie treffen mit jeder neuen Begegnung im Alltag die Entscheidung, ob sie den gewohnten Weg nach Hause laufen oder einen neuen Pfad entdecken wollen. Diese Entscheidungsfreiheit steht über der Natur – den „Zwang“ zur wechselnden Partnerschaft, gibt es nicht.
Sind Frauen stärker vom Coolidge-Effekt betroffen?
Der Coolidge-Effekt ist für Männer und Frauen gleichermaßen zutreffend. Frauen finden nachgewiesen die Vorstellung von Sex mit Fremden (männlich oder weiblich) deutlich erregender als mit ihrem eigenen Partner. Bis zu achtmal stärker wird die Durchblutung der Vagina beim Anblick eines attraktiven Fremden als bei einem attraktiven Freund oder ihrem Partner.
Es gibt einige Überlegungen dazu, ob der Coolidge-Effekt bei Frauen stärker ausgeprägt ist als bei Männern, da ihr Sexualtrieb in der Beziehung durchschnittlich stärker nachlässt als der des Mannes. Das kann jedoch nicht so eng gedacht werden, denn beim Coolidge-Effekt geht es am Ende darum, dass man mit einem bestehenden Partner weniger Sex will aus mit neuen Partnern. Außerdem muss der stärkere Sexualtrieb des Mannes eingerechnet werden.
Aus meiner Sicht steigt am Anfang einer Beziehung der Testosteronspiegel der Frau und der des Mannes sinkt etwas. Dadurch will sie anfänglich mehr Sex als sonst. Nach einiger Zeit normalisieren sich die Hormonspiegel wieder und sie will weniger Sex als am Anfang der Beziehung. Dies führt aber nicht automatisch zu der Annahme, die Frau wolle in der Beziehung beispielsweise nur einmal pro Woche Sex und würde mit einem neuen Mann dreimal am Tag Sex haben wollen. Ein direkter Vergleich scheitert insofern häufig schon an den verschiedenen Einstellungen zu Sex.
Die stärkere Ausprägung des Coolidge-Effektes beim Mann
Ich bin persönlich überzeugt, dass der Coolidge-Effekt beim Mann stärker ausgeprägt ist als bei der Frau. Es gibt für Männer einen kommerziellen Markt, der Männern immer wieder neue Frauen für Sex an die Seite stellt. Es ist ein florierendes Milliardengeschäft, das auf wechselnde Sexualkontakte mit möglichst vielen Frauen ausgelegt ist. Ein Beispiel dafür sind die Pauschalangebote für Liebesurlaub. Die männlichen Teilnehmer zahlen eine pauschale Summe und dürfen während der Zeit so viel Sex mit allen anwesenden Frauen haben, wie sie wollen. Es wird dabei wohl nur selten zu beobachten sein, dass sich ein Mann nur eine Frau aussucht, mit der er sich 1 Woche am Stück vergnügen möchte. Demnach ist aus meiner Sicht der Coolidge Effekt auch bei uns Menschen eher bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen.
Müssen wir denn nun alle fremdgehen?
Führt der Coolidge-Effekt denn soeben zu der Erkenntnis, dass wir die Idee einer monogamen Partnerschaft begraben müssen? Zum Glück nicht. Wir haben als Menschen – Männer wie auch Frauen – immer die Wahl, ob wir uns eher an der Kultur oder der Natur orientieren möchten.
Lieben beide Partner die Idee, in einer monogamen Beziehung glücklich bis ans Ende ihrer Tage zu leben, dann ist das wunderschön. Haben dagegen beide den Wunsch, sich auch anderen Menschen auf sexueller Ebene anzunähern, dann ist dies ebenso begrüßenswert.
Fakt ist:
Durch nicht monogames Verhalten steigt die Lust auf den festen Lebenspartner wieder und es kommt meistens auch zu mehr Sex in der Partnerschaft, während die Sexualität in einer monogamen Beziehung eher vom Aussterben bedroht ist. Wichtig bleibt am Ende, dass sich beide Partner über die Lebensform in der Partnerschaft möglichst einig sind, damit negative Gefühle, Verletzungen und Missverständnisse keinen Nährboden bekommen.
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